Um gleich mal mit einem Kenner der menschlichen Seele und Eigenarten anzufangen: "Ein Leben ohne Musik ist möglich, aber sinnlos!" (Loriot).
Sind Melodien etwa existentiell für das menschliche Dasein, vielleicht schon seit der Steinzeit? War gar 'Am Anfang' nicht das Wort, sondern der Ton?
Wenn JA, dann ist Musik somit die Ursprache der Menschheit. Unbestritten wären viele kognitiven Leistungen des Gehirns im Laufe der Evolution ohne sie nicht denkbar. Gerade die Musik der Neuzeit - etwas seit Columbus oder Luther - fordert ein Höchstmaß an neuronaler Verarbeitung, erwartet sie doch, in Echtzeit von uns verarbeitet zu werden, und dabei doch stets unfaßbar zu bleiben.
Diese geistige Höchstleistung geht natürlich nicht spurlos an uns vorüber: die Nervenstränge werden dicker, die Synapsen zahlreicher, der Stoffwechsel neuraler Zellen nimmt zu.
Da liegt es auf der Hand, daß diese Prozesse unter der Schädeldecke bei selbstmusizierenden Menschen um ein vielfaches verstärkt werden.
Doch nicht nur das. Die Zellen leben länger, die Motorik wird besser, das Konzentrationsvermögen nimmt zu, von Fantasiefülle und Erinnerungsvermögen ganz zu schweigen.
Und damit wären wir beim Klavier. Untersuchungen der jüngeren Zeit belegen die Verdoppelung der Dicke des Corpus callosum, also der Verbindung zwischen rechter und linker Hirnhälfte bei Pianist*innen.
Das Instrument zwingt uns, zwei unterschiedliche Informationen, in Form von Noten, gleichzeitig zu erfassen und umzusetzen, in unterschiedlicher Intensität und Geschwindigkeit - bei einheitlichem Takt- und Rhythmusgefüge.
Einige meiner Schüler lernen (spielerisch) ganze Partituren auswendig, Ton für Ton. Oder einen vier minütigen Popsong, samt Text. Geradezu 'natürlich' sind diese Jungs und Mädchen generell in ihrer Schule in den meisten Fächern im vorderen Feld.
Bleibt die Frage: warum kann das alles besonders die Musik? Weil die Tonfolgen und Klänge untrennbar mit unseren Gefühlen verbunden sind - und bleiben. Wir belohnen uns quasi selber, wenn wir Musik hören oder spielen. Erst recht in Gemeinschaft, im Schulchor, in einer Band oder im Familienkreis.
Bei einem Hollywood-Film reichen ein paar Takte und wir schmachten dahin, die Szenerie vor Augen. Senioren bekommen regelmäßig feuchte Augen, wenn ich auf einer Bühne einen alten Schlager anstimme. Nicht wegen meines Spiels, sondern wegen der Erinnerungen an die eigene Jugend.
Ergo: freuen wir uns jeden Tag, daß wir sie haben, die Musik, egal ob Bach oder Ballermann, Schubert oder Schlager, Miles Davis oder Elton John.
Hören reicht, aber am besten ist Machen!